Die Unbekannten: Siata 208 CS

Peter Ruch | 16.02.2024

Wir bringen hier gleich zwei relativ unbekannten Namen zusammen, Siata und Balboa.

1953 Siata 208 CS Balbo CS072 20

  • Neun Exemplare gebaut
  • Angetrieben vom Fiat-Otto-Vu-Motor
  • Aber wer ist Balbo?

Die Geschichte dieses Siata 208 CS mit Karosserie von Balbo erzählen wir auch deshalb, weil hier zwei doch eher unbekannte Kapitel der italienischen Automobil-Geschichte zueinander kommen. Siata, also die Società Italiana Applicazioni Trasformazioni Automobilistiche, gegründet 1926 von Giorgio Ambrosini in Turin, kann man zwar als noch einigermassen bekannt voraussetzen. Ambrosini entwickelte in erster Linie eigene Zylinderköpfe, die den eher schwächlichen Fiat von damals zu mehr Kraft verhalfen; Siata bot aber auch bessere Getriebe und sogar Kompressoren an. Und die Turiner, die man getrost als erste italienische Tuner bezeichnen darf, waren erfolgreich, denn Fiat kümmerte sich selber nicht um seine rennsportbegeisterte Kundschaft.

Auch die Geschichte der schönsten Siata-Modelle, den 208S/CS, beginnt bei Fiat. Dort arbeitete ein Motoren-Genie namens Dante Giacosa, der ab etwa 1950 mit der Entwicklung eines 2-Liter-Achtzylinders im 72-Grad-Winkel begann. Siata war auch an der Entwicklung des aus Alu gefertigten, überquadratischen Achtzylinders beteiligt. Unter anderem wurden noch die Auspuffkanäle nach oben verlegt, damit die Maschine genügend Platz fand zwischen den Kotflügeln eines zukünftigen Sportwagens. Und tatsächlich hatte diese Maschine ihren ersten öffentlichen Auftritt dann nicht in einem Fiat 8V, wie das Fiat-Modell dann heissen sollte, sondern in einem Siata, der für den Giro di Sicilia am 9. März 1952 gemeldet war. Die grosse Premiere erfolgte sowohl für den Fiat 8V wie auch für den Siata 208S dann am Genfer Auto-Salon 1952. Und die Reaktionen waren grossartig. Der Fiat 8V, ein Coupé mit eigenem Design, war so ein bisschen der Star der Messe; der Siata, ein Roadster, stand ein wenig in seinem Schatten. Und dies, obwohl sich Fürst Rainier von Monaco in ihm ablichten liess. Aber Fiat war halt die grosse Marke, der Siata die kleine Schwester.

Rund 200 Achtzylinder-Motoren baute Fiat bis 1954, 114 wurden selber verwendet, 34 davon für «Otto Vu», die von Fiat selber karrossiert wurden. Wie viele der restlichen Achtzylinder Siata tatsächlich verbaut hat, das ist nicht ganz klar, denn die Bezeichnungen waren etwas verwirrlich, es gab den 208S, den 208CS, den 208SC. Wie auch immer, Siata spendierte seinen Modellen ein paar PS mehr (115 oder 120, der Fiat hatte anfangs 105, in einer zweiten Phase 115 und die letzten Exemplare kamen dann auf 127); das maximale Drehmoment betrug 146 Nm bei 3600/min. 120 PS für wohl etwa 860 Kilo Leergewicht, das war damals ganz anständig. Es heisst, dass vom 208S 35 Spyder gebaut worden seien, die berühmtesten sind jene, die von (oder korrekter ausgedrückt: bei) Rocco Motto eingekleidet wurden (auch Steve McQueen besass ein solches Fahrzeug). Vom 208CS soll es gar nur 24 Stück gegeben haben, mit Karosserien von Stabilimenti Farina, Bertone, und jetzt wird es spannend: Balbo.

Die Carrozzeria Balbo, gegründet 1914 von Alfonso Balbo in Turin, gehört zu den ziemlich unbekannten Grössen unter den italienischen Massschneidern. Man begann, wie Siata, mit Umbauen von Fiat. 1926 verstarb Alfonso Balbo, es übernahm sein engster Mitarbeiter Carlo Follis, der sich auf die Fiat 6C 1500 spezialisierte und einige hübsche Exemplare verkaufen konnte. Im Krieg wurden die Werkstätten komplett zerstört, Balbo konzentrierte sich darauf vor allem auf Microcars, sogar mit einer eigenen Konstruktion, dem Balbo B400. Und dann waren da eben noch die Siata 208 CS, wahrscheinlich wurden neun Exemplare von Balbo in sehr eigenwillige Coupé verwandelt. Ob es auch am Design lag, dass die Siata nicht mehr Erfolg hatten, ist umstritten; Balbo musste 1954 seine Tore schliessen. Heute sind die Siata 208 CS mit dem Balbo-Aufbau extrem begehrt, sechs Stück sollen noch existieren, wir zeigen hier das Exemplar mit der Chassis-Nummer CS072.

In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Unter «Die Unbekannten» stellen wir Fahrzeuge vor, die man nicht an jeder Strassenecke sieht – eine Liste der schon vorgestellten Fahrzeuge finden Sie hier.

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